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S8: Infrastruktursenat (Verkehr)

Bloms, Donnerstag, 30. Juni 2011, 00:52

Verkehrspolitik in Krise Nr. 3:

Neuer Anschlag auf den Rechtsstaat bei Genehmigungsverfahren von Autobahnen und Bahn-Hochleistungsstrecken.

Vergangen Herbst hat sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) als Berufungsbehörde in UVP-Genehmigungsverfahren von Bahn- und Autobahnprojekten für unzuständig erklärt, da dies gegen EU-Recht verstößt (und das schon seit 2003). Der VwGH hat die Berufung an den Umweltsenat verwiesen, der auch für alle anderen UVP-Verfahren laut UVP-Gesetz als Berufungsbehörde eingerichtet wurde.

siehe: http://www.buh.at/forum/index.php?id=2284

Dazu ist noch anzumerken, dass die Genehmigungsverfahren (UVP) von Autobahnen und Bahn-Hochleistungsstrecken schon bisher laut UVP-Gesetz einer rechtsstaatlich bedenklicher Sonderregelung unterliegen, indem das Infrastruktur/Verkehrsministerium (BMVIT zusammen mit der ASFINAG) gleichzeitig Antrag stellende (Bauwerber) und genehmigende Behörde ist, sich somit praktisch selbst überprüft.

Die Entscheidung des VwGH, den "relativ unabhängigen" Umweltsenat mit den Überprüfungsverfahren zu betrauen gefiel natürlich BM Bures (SPÖ) und der ÖVP überhaupt nicht, die offenbar Genehmigungsverfahren bei Milliardenprojekten lediglich als lästigen Formalakt erachten und die Bürgerrechte weiter aushöhlen möchten.

Also haben SPÖ und ÖVP kurzerhand einen Initiativantrag im Parlament für die Schaffung einer neuen Sonderbehörde, den sogenannten Infrastruktursenat, für Berufungen gegen Autobahnen und Bahnprojekte eingebracht und wollten diesen Beschluss ohne Begutachtungsverfahren innerhalb von zwei Wochen durchboxen.

Infrastruktursenat Einführungsgesetz:

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_01614/fname_223242.pdf

Der Entwurf, der gegen EU-Recht, die Menschenrechtskonvention und die Aarhus Konvention (internationales Abkommen) verstößt, sieht vor,

- dass der Infrastruktursenat im BMVIT angesiedelt wird; d.h. das BMVIT soll sich nicht nur die Projekte selbst genehmigen (SUP und UVP), sondern künftig auch noch selbst über Berufungen entscheiden; abgesehen davon, dass kaum in einem anderen Land so wenige und mangelhafte UVP-Verfahren durchgeführt werden, wie in Österreich

- dass die Mitglieder des Infrastruktursenats vom BMVIT (!) nominiert werden sowie jedes Bundesland zwei Beisitzer entsendet; die Mitglieder müssen im Unterschied zum Umweltsenat keine Richter sein;

- dass auch noch der Zugang zum VwGH erschwert werden soll, wofür eine Verfassungsänderung (!) notwendig wird; war es bisher, wie in jedem Rechtsstaat selbstverständlich den VwGH in Verwaltungsverfahren anrufen zu können, so soll dies in Zukunft nur mehr bei "grundsätzlichen Rechtsfragen" (?) möglich sein.

Hinzu kommen noch so Bösartigkeiten wie die rückwirkende Geltung für Projekte ab 2005 (!) und die Geschäftsführung des Infrastruktursenats durch die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft (SCHIG).

Zudem soll der Infrastruktursenat nur provisorisch eingerichtet und 2016 wieder aufgelöst werden. Die reinste Geldverschwendung also, da zum einen eine Verwaltungsgerichtsbarkeits-Reform geplant ist, um die unzähligen Sonderbehörden (131 an der Zahl) zu reduzieren, und zum anderen der Umweltsenat ohne weiteres diese Aufgaben übernehmen könnte.

Die Kritik der Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und Opposition (auch der Rechtsanwaltskammer, siehe unten) fiel demgemäß vernichtend aus.

Tenor: Da bastelt sich das BMVIT eine Behörde, die genehme Projekte möglichst schnell durchwinken soll.

Noch weiter gingen die Wogen hoch, als BM Bures (SPÖ) den Infrastruktursenat mittels eines Gastkommentars in der Kronen-Zeitung verteidigte (siehe unten).

Nach Protesten mehrerer Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen voriger Woche und der dankenswerterweise fehlenden Zustimmung der Oppositionsparteien (für eine Verfassungsänderung ist eine 2/3 Mehrheit, sprich Zustimmung einer Oppositionspartei erforderlich), wurde der Beschluss des Gesetzes auf den Herbst verschoben.

Übrigens wird u.a. als Argument für die Schaffung des Infrastruktursenates die Verfahrensbeschleunigung genannt. Geradezu lächerlich, angesichts der jahrzehntelangen politischen Diskussionen über alle Großprojekte (zB Semmeringbasis-, Brenner- und Koralmtunnel, A5, S1, S8). Die S8 feiert heuer auch bereits ihr zehnjähriges Jubiläum, abgesehen davon, dass eine ähnliche, südlicher gelegene Autobahn bereits im Bundesstraßengesetz der 1970er Jahre vorgesehen war (und in Folge durch die A4 ersetzt wurde).

Fazit: ein Trauerspiel und Armutszeugnis für einen Rechtsstaat.

S8: Infrastruktursenat

Bloms, Donnerstag, 30. Juni 2011, 01:00 @ Bloms

Stellungnahme/Kritik der Umweltorganisationen:


Wien, 21. Juni 2011

Stellungnahme der Umweltorganisationen

GLOBAL 2000, Greenpeace, Justice and Environment, Naturfreunde International, ÖKOBÜRO, VCÖ, Vier Pfoten sowie WWF

zur geplanten Bundes-Verfassungsgesetz Novelle und zur Einführung eines UVP Infrastruktursenates (Initiativantrag vom 16.6.2011)

Zusammenfassung

1. Der Infrastruktursenat (IS) ist in einer Weise konzipiert, die die durch das Europarecht (UVP-RL, Aarhus Konvention) und die Menschenrechtskonvention gebotene Unabhängigkeit nicht gewährleistet und den IS daher rechtswidrig (europa- und völkerrechtswidrig) machen. Die Mitglieder werden von jenen Institutionen beschickt, die der IS prüfen soll. Weiters ist davon auszugehen, dass die Mitglieder insb aus jenen
Position zum Infrastruktursenat, 21. Juni 2011 Seite 1
Position zum Infrastruktursenat, 21. Juni 2011 Seite 2
Institutionen rekrutiert werden, zumindest ist dies nicht explizit ausgeschlossen. Die Beteiligung von RichterInnen ist im Gegensatz zum Umweltsenat nicht vorgesehen.

2. Die Einführung des Infrastruktursenates (IS) gleicht einem Schildbürgerstreich, da der IS keine Tribunalqualität im Sinne der EMRK hat. Dadurch ändert sich nichts an der bestehenden Rechtslage, da der VwGH im Herbst 2010 entschied hat, dass ein Tribunal im Sinne von Art 6 EMRK für Berufungen gegen Entscheidungen des BMVIT in UVP-Verfahren zuständig sein muss. Folgt man der VwGH Rechtssprechung wäre der Umweltsenat daher auch nach Einführung des IS noch zuständig, da das Europarecht dem nationalen Recht vorgeht und folglich die Zuständigkeit des IS verdrängen würde (Anwendungsvorrang des Europarechts). Durch die Einführung des IS entstehen jedoch erhebliche Kosten.

3. Die Schaffung einer neuen Sonderbehörde widerspricht ganz klar den Vorgaben der Verwaltungsreform und verschwendet Steuergeld. Der Unabhängige Umweltsenat könnte die Aufgaben des IS zu einem Bruchteil der Kosten des IS übernehmen.

4. Der begründungslose Ausschluss des Rechtszuges vom Umweltsenat an den Verwaltungsgerichtshof ist sachlich nicht gerechtfertigt und daher abzulehnen.

5. Der Initiativantrag ist folglich abzulehnen. Der IS würde zu einer Verschlechterung der bestehenden Rechtslage und zu erheblich höheren Kosten für den Steuerzahler führen. Die Konzeption widerspricht dem Regierungsprogramm zur Verwaltungsreform und ist verfassungs-, europarechts- und völkerrechtswidrig.

6. Der Unabhängige Umweltsenat ist ein Tribunal im Sinne der MRK, anerkannt für die hohe fachliche Qualität der Entscheidungen und die rasche Abwicklung der Verfahren, hat eine funktionierende Struktur und Geschäftsordnung und kann die Aufgaben des IS zu einem Bruchteil der Kosten übernehmen.

Hintergrund

Am 16. Juni 2011 wurde von den SPÖ und ÖVP Abgeordneten ein Initiativantrag auf Erlassung eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Infrastruktursenat (IS-G) eine Änderung des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG), des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) sowie über Änderungen des Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (kurz Infrastruktursenat-Einführungsgesetz) dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt. Der Antrag wurde in den letzten Minuten der Plenarsitzung am 16. Juni eingebracht, sodass sich eine Beschlussfassung vor der Sommerpause gerade noch ausgeht. Durch den Initiativantrag wird die parlamentarische Beschlussfassung beschleunigt und werden die Möglichkeiten für sachliche Diskussionen im Gesetzgebungsprozess beschränkt. Ein ministerielles oder parlamentarisches Begutachtungs-verfahren erfolgte nicht.

Zuvor war ein (Ministerial-) Entwurf vom Mai 2011 informal an die Öffentlichkeit gelangt. Dieser sah neben der Einführung des unabhängigen Infrastruktursenates einige schwerwiegende

Position zum Infrastruktursenat, 21. Juni 2011 Seite 3

Änderungen des Rechtsschutzsystems, nicht nur betreffend Umweltverfahren, sondern betreffend alle Verwaltungsverfahren vor. Das ÖKOBÜRO hat gemeinsam mit seinen Mitglieds-organisationen eine Stellungnahme zu diesem Ersten Entwurf verfasst (im Anhang). Im Vergleich dazu enthält der aktuelle Initiativantrag einige positive Änderungen (siehe unten). Die genannten Umweltorganisationen halten jedoch an ihrer grundsätzlichen Kritik des Entwurfs fest. Für Details wird auf die Stellungnahme im Anhang verwiesen.

Verbesserungen im Vergleich zum informalen Entwurf vom Mai 2011

Im Verhältnis zu dem (Ministerial-)Entwurf vom Mai enthält der am 16. Juni 2011 eingebrachte Initiativantrag einige Verbesserungen, welche die genannten Umweltorganisationen ausdrücklich begrüßen. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Änderungen:
- Der Zugang zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) für Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate bleibt gewahrt. Art 131 Abs 3 B-VG erscheint wieder in der bestehenden Fassung, jedoch wurde der Umweltsenat aus dem Wortlaut gestrichen (siehe dazu unten).

- BeisitzerInnen sind bei der Ausübung ihrer Funktion ausgeschlossen, wenn das Vorhaben, um das es geht in jenem Bundesland gelegen ist, von dessen Landesregierung er/sie vorgeschlagen wurde (§11 Abs 2). Zuvor war eine Teilnahme eines/einer aus dem betroffenen Bundesland stammenden BeisitzerIn verpflichtend vorgesehen.

- Der Infrastruktursenat soll gemäß dem Initiativantrag keine auf Flughäfen, Frachtbahnhöfe etc. erweiterten Kompetenzen erhalten. Diese Materien verbleiben beim Umweltsenat.
Kritik

Trotz dieser Änderungen sehen die genannten Umweltorganisationen den vorliegenden Entwurf durchaus kritisch. Zudem sehen wir das Risiko, dass der vorliegende Entwurf im Rahmen von Änderungsanträgen wieder zu Ungunsten des Rechtsschutzes der Öffentlichkeit abgeändert wird. Daher halten wir die Kritik unserer ersten Stellungnahme (im Anhang) vollinhaltlich aufrecht.

An dieser Stelle soll zunächst auf diejenigen Veränderungen eingegangen werden, welche nach Ansicht der Organisationen eine Verschlechterung der Rechtslage in Bezug auf den Entwurf vom Mai 2011 bedeuten würden. Im Anschluss werden weitere Kritikpunkte erläutert.

- Die Voraussetzungen für die Qualifikation der Mitglieder des Infrastruktursenates wurden weiter herabgesetzt. Die im ursprünglichen Entwurf enthaltene Voraussetzung,
Position zum Infrastruktursenat, 21. Juni 2011 Seite 4
dass die zur Bestellung vorgesehenen Mitglieder eine Prüfung, welche Voraussetzung für einen rechtswissenschaftlichen Beruf ist, abgelegt haben (also bspw. Anwaltsprüfung), oder an einer Universität tätig sein müssen, wurde gestrichen. Die Voraussetzungen beschränken sich nun auf Handlungsfähigkeit, österreichische Staatsbürgerschaft den Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums sowie die Ausübung eines Berufes für die Dauer von mindestens fünf Jahren, für den der Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums notwendig ist.

Weitere zentrale Kritikpunkte sind:

- Mangelnde Unabhängigkeit der Mitglieder und BeisitzerInnen in den Kammern des Infrastruktursenats: Die Unabhängigkeit des Senates ist nicht gewährleistet. Im Gegensatz zum Umweltsenat gibt es keine verpflichtenden Vorgaben, dass unabhängige RichterInnen im Senat vertreten sein müssen. Es ist zweifelhaft, ob dies der UVP-RL der EU, der Aarhus Konvention und der Menschenrechtskonvention entspricht.

- Der Infrastruktursenat erfüllt unsrer Ansicht nach nicht die Mindestvoraussetzungen für ein unparteiliches und unabhängiges Tribunal im Sinne des Artikel 6 EMRK. Da der IS voraussichtlich insb aus Beamten des BMVIT und der Landesregierungen bestehen wird bzw dies gesetzlich nicht ausgeschlossen ist, entsteht der äußere Anschein, dass der IS nicht unabhängig ist, da der Senat Entscheidungen prüft, aus dessen Dienststellen die Mitglieder des IS kommen und wohin sie zurückkehren werden. Dies widerspricht Art 6 EMRK und ist insofern unverständlich, als dass die mangelnde Tribunalqualität die Grundlage der VwGH Entscheidung war, die zur Zuständigkeit des Umweltsenates geführt hatte (vgl dazu unten die Stellungnahme vom Juni 14. Juni 2011). Wenn der IS kein Tribunal im Sinne der EMRK ist, bleibt die Zuständigkeit des Umweltsenates bestehen im Sinne der Rechtssprechung des VwGH zur Angerschluchtbrücke und Brenner-Basistunnel (VwGH 30. 9. 2010, 2010/03/0051 und 2010/03/55), trotz der vorgeschlagenen Gesetzesvorschläge, da das Europarecht – wie der VwGH in den genannten Entscheidungen ausgeführt hat, dem ö Recht, auch dem Verfassungsrecht, vorgeht. Näheres zur Tribunalqualität siehe die Ausführungen im Anhang I.

- Ausschluss des VwGH Zuganges vom Umweltsenat: Eine geplante Änderung des Art 11 Abs. 7 B-VG würde zu einem Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheidungen des Umweltsenats an den VwGH führen. Wir lehnen diese Einschränkung des Rechtsschutzes vehement ab.

- Es ist zumindest zweifelhaft, ob die Kontrolle von Bescheiden eines Bundesministers, dh einem höchsten Staatsorgan (in diesem Fall des BMVIT) an eine andere Verwaltungsbehörde (den Infrastruktursenat) übertragen werden kann. Dies könnte ein Verstoß gegen das rechtstaatliche und demokratische Grundprinzip der Bundes-
Position zum Infrastruktursenat, 21. Juni 2011 Seite 5
verfassung darstellen.1 Im Übrigen erscheint die Ansiedelung des IS im BMVIT auch aus gewaltenteilenden Aspekten problematisch.

- Die Erläuternden Bemerkungen enthalten unter dem Punkt „Finanzielle Auswirkungen“ einen Argumentationsfehler. Demgemäß soll durch die Einführung des Infrastruktur-senats eine ganze Berufungsinstanz wegfallen (erste Instanz Bezirkshauptmannschaft, 2. Landesregierung, 3. Umweltsenat). Das ist nicht nachvollziehbar, denn einerseits ist die BH unzuständig betreffend UVP-Verfahren und andrerseits ist der Infrastruktursenat nicht zuständig für Verfahren nach dem 2. Abschnitt, die von der Landesregierung abgewickelt werden (Ausnahme ggfs teilkonzentriertes Verfahren nach dem 3. Abschnitt. Diese Verfahren sind jedoch nur Nebenverfahren der UVP).

- Verschwendung von Steuergeld/Verwaltungsreform: Die Einführung des Infrastruktursenates als neue Sonderbehörde widerspricht ganz klar dem Prinzip der Sparsamkeit und auch dem aktuellen Regierungsprogramm. Steuergeld wird verschwendet. Zudem entspricht diese Vorgehensweise nicht den Zielen der Verwaltungsreform. Der unabhängige Umweltsenat könnte die Aufgaben des IS zu einem Bruchteil der Kosten des IS übernehmen. Der IS ist deshalb weder sachlich noch verwaltungsökonomisch in irgendeiner Form zu rechtfertigen.

- Geschäftsführung durch die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH: Die Geschäftsführung des Infrastruktursenats soll von der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH übernommen werden. Diese ist ein Unternehmen der Republik, welches vom BMVIT vertreten bzw. kontrolliert wird und ein einem Naheverhältnis zur ÖBB, einer der ProjektwerberInnen steht. Auch hier sind Zweifel am Anschein der Unabhängigkeit angebracht.

Forderungen

Wir möchten die bereits in unserer Stellungnahme vom 15. Juni geäußerten Forderungen, welche für den aktuellen Entwurf relevant sind, an dieser Stelle wiederholen:

- Unabhängigkeit: Wir fordern eine unabhängige Behörde, welche für Berufungen gegen auf Grundlage des UVP-G erlassenen Bescheide zuständig ist. Der Umweltsenat erfüllt aufgrund seiner Ansiedlung beim BMLFUW und aufgrund der Bestimmungen über die Bestellung seiner Mitglieder diesen Anspruch.

- Verfahrenskonzentration: Eine Konzentration der UVP-Berufungsverfahren beim Umweltsenat ist aus Gründen der Verwaltungsökonomie, der Sparsamkeit und der Übersichtlichkeit zu begrüßen.
1 Vgl VSlg 13.626/1993, 15.578/1999, vgl Berka, Verfassungsrecht2 (2008) Rz 651 mwN;

- Kompetenzkonzentration: Der Umweltsenat verfügt über mehrjährige Erfahrung und spezifische Kompetenzen im Bereich der UVP. Er kann, eine entsprechende Aufstockung seiner personellen und finanziellen Ressourcen vorausgesetzt, ohne Einarbeitungszeit die Verfahren rasch und (kosten-)effizient erledigen.

- Rechtssicherheit: Wir fordern eine gesetzliche Verankerung der umfassenden Zuständigkeit des Umweltsenates als einzige Berufungsbehörde gegen Bescheide, welche auf Grundlage des UVP-G, auch nach dem dritten Abschnitt, erlassen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Stellvertretend für die oben genannten Organisationen:

DI Markus Piringer
Geschäftsführung ÖKOBÜRO
Volksgartenstrasse 1, A-1010 Wien
Tel +43-1-524-9377/13, Fax /20

S8: Infrastruktursenat

Bloms, Donnerstag, 30. Juni 2011, 01:09 @ Bloms

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Replik (als eine von vielen) auf den Gastkommentar von BM Bures in der Krone von

Dr. Josef Lueger
InGEO - Ingenieurbüro für Technische Geologie
Gerichtlich zertifizierter Sachverständiger
Eingetragener Mediator


Drüberfahren

Gastkommentar von Josef Lueger*

Der Gastkommentar von Verkehrsministerin Doris Bures in der Krone vom 27. Juni ist ein herausragendes Beispiel für Desinformation mit wohlklingenden Worthülsen. Deswegen ist eine Richtigstellung notwendig.

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz sieht für Bundesstraßen und Eisenbahn-Hochleistungsstrecken derzeit keine Möglichkeit der Überprüfung durch eine unabhängige Berufungsinstanz vor. Das hat der Verwaltungsgerichtshof im Vorjahr als EU- und menschenrechtswidrig erkannt und den Umweltsenat als Berufungsbehörde festgelegt. Seither können betroffene Parteien, Bürgerinitiativen und Umweltvereine gegen Bewilligungen Einspruch erheben. Der Umweltsenat prüft dann, ob die Bescheide rechtlich und sachlich in Ordnung sind. Er kann auch Bewilligungen aufheben.

Das hat die Regierungsparteien aufgeschreckt, denn manche Infrastrukturprojekte wurden bei der Umweltverträglichkeitsprüfung einfach „durchgewinkt“, sind aber schlecht begründet, rechtswidrig oder nicht umweltverträglich. Nun droht die Aufhebung der Bescheide durch den Umweltsenat. Das ist bei anderen Vorhaben schon passiert.

Um trotzdem umweltschädliche oder rechtswidrige Bauvorhaben rasch und problemlos durchsetzen zu können, wollen die Regierungsparteien den allgemein als neutral und unabhängig angesehenen Umweltsenat als Kontrollinstanz ausschalten und stattdessen einen „Infrastruktursenat“ als Berufungsbehörde einrichten. Damit nur ja kein Risiko bleibt, dass Bescheide aufgehoben werden, will sie den Infrastruktursenat auch gleich im Verkehrsministerium ansiedeln und mit Ministerialbeamten beschicken. Nach Vorstellung der Regierung soll dann die Realisierung von Verkehrsprojekten so verlaufen: Als Erstes beschließt die Regierung das Vorhaben. Dann wird es von der ÖBB oder der Asfinag – beide operative „Außenstellen“ des Verkehrsministeriums – geplant und zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht. Anschließend „prüft“ und bewilligt dasselbe Verkehrsministerium sein eigenes Projekt. Wenn jemand gegen die Bewilligung Einspruch erhebt, wandert der Akt ein paar Bürotüren weiter zum Infrastruktursenat, der ebenfalls im Verkehrsministerium angesiedelt ist. Also: Planung, Prüfung, Bewilligung und Kontrolle – alles bleibt in einer Hand.

Damit aber wirklich gar nichts mehr den vorbestimmten Lauf der Dinge stört, will die Regierung den betroffenen Menschen auch noch das letzte Rechtsmittel aus der Hand schlagen: die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Dazu soll sogar die Verfassung geändert werden, sodass nur mehr Beschwerden mit Rechtsfragen von „erheblicher Bedeutung“ erhoben werden können. So wird der sachliche und rechtliche Diskurs erstickt und politischer Willkür Tür und Tor geöffnet.

Wie wichtig ein funktionierender Rechtsschutz ist, zeigt das Beispiel „Semmering Basistunnel“. Im Bewilligungsverfahren hat sich die Behörde großteils ungeeigneter oder befangener Sachverständiger bedient, die zum Teil selbst an der Planung beteiligt waren. Einer davon steht im Verdacht, falsche Angaben zu seiner Person gemacht zu haben. Der behördlich bestellte UVP-Koordinator hat sogar einen Parteienvertreter wegen seiner projektkritischen Fragen bedroht. Das Projekt selbst wird die Umwelt in großem Ausmaß beeinträchtigen. Trotz alldem hat ihm das Verkehrsministerium das Prädikat „umweltverträglich“ ausgestellt und eine Bewilligung erteilt. Alle sachlichen und rechtlichen Einwände wurden vom Tisch gewischt.

Natürlich wurde dagegen Berufung erhoben. Zuständig dafür ist nach geltender Rechtslage der Umweltsenat. Ginge es nach dem Willen von Verkehrsministerin Doris Bures, würde hinkünftig ein in ihrem Ministerium angesiedelter „Infrastruktursenat“ über die Berufung entscheiden. Wie diese Entscheidung ausfallen würde, ist absehbar. Eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wäre auch bei noch so schweren Rechtsverletzungen nahezu aussichtslos, wenn die geplanten Verfassungsänderungen im Parlament beschlossen würden.

Was die Ministerin den KRONE-Lesern mit ihrem Gastkommentar verkaufen will, ist eine Mogelpackung. Kratzt man an der Hülle aus wohlklingenden Worten und blumigen Phrasen tritt ihr Kern ans Licht. Und der heißt „Drüberfahren“ – auch um den Preis der Rechtsstaatlichkeit und Umweltverträglichkeit.

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* Josef Lueger ist Inhaber eines Ingenieurbüros, Gerichtssachverständiger und Konrad-Lorenz-Preisträger. Er berät u.a. Bürgerinitiativen und Umweltvereine.

S8: Infrastruktursenat

Bloms, Donnerstag, 30. Juni 2011, 01:14 @ Bloms

Stellungnahme Österreichischer Rechtsanwaltskammertag (Rechtsanwaltskammer):


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